Dynamiken der Selbst-Stabilisierung im Alter
Article type: Research Article
Authors: Greve, Werner | Wentura, Dirk | Zisterer, Monika
Affiliations: PD Dr. Werner Greve, Kriminologisches Forschungsinstitut Niedersachsen, Lützerodestr. 9, 30161 Hannover, Tel: (0511) 348 36 23, email: [email protected] | Dr. Dirk Wentura, Westfälische Wilhelms-Universität Münster, Psychologisches Institut Fliednerstr. 21, 48149 Münster. email: [email protected]. | Dipl.-Psych. Monika Zisterer, Steinachstr. 20, 29198 Schriesheim.
Abstract: Es wird argumentiert, daß die empirisch vielfach bestätigte Stabilität des Selbstbildes im Erwachsenen- und insbesondere im höheren Alter nicht nur durch defensive Mechanismen aufrechterhalten werden kann. Vielmehr ist das Selbstbild aufgrund seiner Handlungsrelevanz auch zu einer hinreichend realitätsadäquaten Struktur und damit auch zur akzeptierenden Integration von Abbau-, Verlust- und Defiziterfahrungen gezwungen. Prozesse der Selbst-Immunisierung werden als Lösung des sich hier andeutenden Dilemmas vorgeschla-gen. Dabei werden die Operationalisierungen eines bedrohten Konzeptes so angepaßt, daß die aktuell nicht mehr oder weniger verfügbaren Kompetenzen als weniger diagnostisch, die weiterhin verfügbaren dagegen als aussagefähiger für den je übergeordneten Selbstkonzeptbereich eingeschätzt werden. Jedoch stößt Immunisierung dann an Funktionalitätsgrenzen, wenn durch sie notwendige Revisionen des Selbstbildes behindert werden. Immunisierung verliert daher jenseits eines bestimmten Punktes seinen Nutzen. In einer empirischen Studie mit 133 Alkoholikern wird gezeigt, daß die Immunisierung des Selbstbildes, kein Alkoholiker zu sein, bei Patienten einer Kurklinik geringer ausgeprägt ist als bei Probanden einer TÜV-Untersuchung zur Wiedererlangung des Führerscheins. Es wird argumentiert, daß Identität und Selbstwert jedoch auch bei Durchbrechung der Immunisierung insbesondere im höheren Alter durch akkommodative Adaptationen gestützt und bewahrt werden können, indem die Bewertung bedrohter Aspekte gegenüber unbedrohten Aspekten kompensatorisch reguliert wird. It is argued that the stability of the self-concept in adulthood and old age, which is repeatedly shown in empirical studies, is maintained not only by defensive processes. Since the self-concept is a relevant action-regulating system, it has to be sufficiently realistically structured and hence has to integrate even experiences of decline, loss or deficit. It is argued that processes of self-immunization can solve this dilemma by changing the operationalization of a threatened concept in a way that no longer possessed competencies are reduced in their diagnosticity while still available skills are strengthened. However, self-immunization reaches its limits of functionality if it obstructs necessary revisions of the self-concept. In a study with 133 alcoholics it is empirically demonstrated that immunization of self-concept of not being alcoholic is lower for patients of a clinic that for people who attempt to regain their drivers licese which is revoked due to drunken driving. However, it is argued that even overcoming the defense line of self-immunization in old age does not entail a destabilization of identity and self-esteem, since accommodatve adaptations regulate the evaluations of threatened self-aspects against unthreatened ones in a compensatory way.
Keywords: Selbstkonzept, Immunisierung, Akkommodation
Keywords: Self-concept, immunization, accommodation
Journal: Zeitschrift für Medizinische Psychologie, vol. 8, no. 4, pp. 167-174, 1999